Eine wahre und (fast) märchenhafte Geschichte aus Delmenhorst

 
  "Lieber lasse ich meine Pferde mit goldenen Hufeisen beschlagen, als dass auf der Nordwolle höhere Löhne gezahlt werden!"
  Ja, das soll die schöne aber ach so resolute Frau Kommerzienrat Lahusen angesichts von Lohnforderungen ausgerufen haben!
  Da waren sie schon reich, die Lahusens aus Bremen, steinreich, märchenhaft reich!
  Zu verdanken hatten sie ihren Reichtum dem "Gründer der Nordwolle" oder wie es korrekt heißen müsste "Norddeutsche
 

Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei" (NW&K), nämlich Martin Christian Leberecht Lahusen (1820-1898).

  Schon früh hatte er die Geschäfte seines Vaters übernommen, die Brauerei mit Wirtshaus, das
  Handelsgeschäft und die kleine Reederei. Und auch die "Aschenburg" an der Weser und natürlich
  den Landbesitz im fernen Südamerika. Nun, man sieht, ganz aus dem Stand brauchte er nicht zu
  starten! - Doch dies sollte nur der bescheidene Anfang sein.
  Denn im gerade entstandenen Deutschen Reich herrschte das Gründerfieber, dem sich damals nicht
  nur Christian Lahusen erfolgreich hingab.
  Der Einstieg in die Industrie begann 1873 mit dem Erwerb einer Wollfabrik in Böhmen. Mit Wolle, muss man dazu wissen,
  war Lahusen schon vertraut: Für die Schafzucht hatte er den Südamerikabesitz ausgeweitet und außerdem war er im
  Überseehandel mit Wolle engagiert.
  Der Übergang vom Handel zur Industrie lief anfangs schlecht, der Betrieb war veraltet und es gab gerade eine Krise in der
  Wollbranche, aber sein Unternehmergeist und der gute Direktor Nieper brachten die Fabrik wieder erfolgreich auf Kurs.
  Mit den Gewinnen aus Handel und Industrie häufte sich in nur 10 Jahren genügend Kapital für eine Investition größeren Stils an,
  der Rückhalt in der Bremer Kaufmannschaft (einst heiratete er Anna Gebecka aus dem Patrizierhaus Meier) war ermutigend:
  Und so erfolgte 1884 der große Wurf: Christian Lahusen gründete die oben bereits erwähnte NW&K!
  An der Bahnlinie Bremen-Oldenburg entstand auf einem 13 ha großem Gelände eine Fabrik, die ihresgleichen suchte.
  Tausende aus den östlichen Teilen des Reichs wurden angeworben, und das Ackerbürgerstädtchen Delmenhorst wandelte
  sich zu einer Industriestadt.
       
       
       
       
       
       
       
           
  Nun kann sich "Der Gründer" zurückziehen, sein Sohn Johann Carl Lahusen (1858-1921, seit 1906 Kommerzienrat)
  wird die dominierende Persönlichkeit. Auch ihm war Arbeit mehr Lust als Last!
  Arbeit, die sich lohnt: In wenigen Jahren steigt die Delmenhorster Fabrik zum Großbetrieb auf. 1890 werden schon
  1600 Arbeiter/innen beschäftigt. Die Dividende erreicht in den Jahren bis zur Jahrhundertwende Spitzenwerte bis 25%!
  Fünf-und-zwanzig! Ganz richtig, ohne Komma!
  Es gibt nur noch eine Richtung: Steil aufwärts! Johann Carl Lahusen, in der Folgezeit "der Mehrer" genannt, erwirbt
  weitere Fabrikanlagen in Deutschland, ja auch in Südamerika wird weiter investiert.
   
  Als Firmenideologie galt: "Wir sind eine große Familie".
  Aus diesem Sinne, aber auch um die Stammbelegschaft an die Firma zu binden, entsteht auf dem Fabrikgelände eine
  Vielzahl sozialer Einrichtungen, die hier nur kurz gestreift werden sollen:
  Konsumverein (ab 1893, Lebensmittel, Haushaltsgegenstände, Kohle, auch "auf Anschreiben")
  Kinderbetreuung (seit Gründung der NW&K, ab 1910 mindestens 360 Kinder!)
  Krankenhaus (ab 1888, 1925 hundert Betten, Röntgengerät, OP, Isolierhaus)
  Wöchnerinnenasyl (ab 1905 für etwa 14 Frauen, die keine Hilfe von Verwandten hatten)
  Badeanstalt (ab 1885, erstes Hallenschwimmbad in Delmenhorst, Schwimmbecken 10x6 m)
  Speiseanstalt (ab 1905, alle Angestellten mussten hier essen!)
  Werkswohnungen (100-200 qm Land konnte dazugepachtet werden)
  Mädchenheim (mit Speisesaal und Kapelle)
  Erholungsheime (die Güter Schafkoven, Langenwisch und Elmeloh)
  SCHACHVEREIN? (nicht nötig, gab es in Delmenhorst schon seit 1890 - ob die Lahusens vor lauter
  Geldverdienen auch zum Schachspielen kamen, geht aus den Quellen nicht hervor)
   
  Der 1. Weltkrieg bedeutet keinen Einschnitt für das Wollimperium, im Gegenteil, Wolle ist wichtiger Rohstoff!
  Als J.C. Lahusen 1921 stirbt, arbeiten bereits 12500 Menschen für den Konzern. Für sie alle gilt das Motto:
  "Sei fleißig wie die Bienen, treu wie ein Bernhardiner und dem Fabrikherrn immer kameradschaftlich zugetan,
  dann wirst du deinen Lebensabend auf das Beste behütet verbringen."
  Dieser friedliche Lebensabend aber war in Gefahr, als nun Georg Carl Lahusen (1888-1973) die Geschicke
  des Konzerns in die Hände nimmt. Eine unsolide Expansion beginnt und gipfelt 1928 in einem Beschäftigtenstand
  von über 28000 Menschen. Und es wird gebaut! Gleich zweimal in Bremen und nur vom Allerfeinsten und
  Teuersten! Das Haus des Reichs an der Contrescarpe entsteht als Konzernzentrale (heute Finanzamt, das passt!)
     
     
     
     
     
     
     
  und in der Bremer Schweiz das "Gut Hohehorst", ein richtiges Schloss mit 107 Räumen. Nur so, als Sommersitz!
  Doch der äußere Schein trügt: Der hohe Kapitalbedarf kann nicht aufgefangen werden.
  Auch Bilanzfälschungen retten nicht mehr vor dem betrügerischen Konkurs und so landet, wie der Reichstags-
  abgeordnete A. Faust bemerkt, Georg Lahusen -"der Zerstörer"- "aus dem vergoldeten Sessel im Prunkschloss
  Hohehorst auf dem Holzschemel des Bremer Untersuchungsgefängnisses".

 

 

 

 

 

 

 

 
Wie prophezeite einst Georg Lahusens Urgroßvater: "Was hat der Millionär?
Last, Plage, Sorgen! Er hat nie genug, er will immer mehr haben.
Aber innere Ruhe, Frieden und Freude, die sucht man vergebens bei ihm.
Und den Kindern gereicht der große Reichtum fast jedes Mal zum Verderben,
bald auf diese, bald auf eine andere Weise".
 
 
Treppenschmuck im Haus des Reichs

 

 

 

 

 

 

J.H.