Beim alle zwei Jahre statfindenden offiziellen Schachwettkampf zwischen
Lublin und Delmenhorst konnte sich am Montag,dem 21.August 2006, in der
Sporthalle Lublin das gastgebende Team um Mannschaftsführer Zbigniew
Pyda gegen die Spieler des Delmenhorster Schachklubs (DSK) deutlich mit
5,5 : 3,5 Punkten durchsetzen:
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Michael Praszak - Malte Meyer 0:1
Zbigniew Pyda - Gerhard Riewe 0,5 : 0,5
Jerzy Dybowski - Thorsten Meyer 1 : 0
Pawel Panas - Tim Boese 0,5 : 0,5
Marta Samborska - Sven Wollscheid 0,5 : 0,5
Andrzej Suk - Andrea Wenke 0,5 : 0,5
Piotr Flisiak - Benjamin Hayen 0,5 : 0,5
Marek Chwalewski - Helmuth Riewe 1 : 0
Magdalena Magda-Polkowska - Claudia Theermann 1 : 0 |
Bei dem viertägigen Freundschaftsbesuch von neun DSK-Spielernin
der Zeit vom 18. - 22. August 2006 in der ostpolnischen Metropole hatte
Lublins Turnierleiter Zdzislaw Polkowski umsichtig dafür gesorgt,
dass neben dem Touristik- und Kennenlernprogramm auch der ernsthaft
Schachsport zu seiner angemessenen Geltung kam. Schon kurz nach der
Ankunft der Delmenhorster Delegation mussten 18 Spieler aus beiden Städten
fast dreieinhalb Stunden lang bis tief in die Nacht im Blitzturnier
kämpfen, bevor die Sieger und Platzierten endgültig feststanden.
Am Ende setzte sich Malte Meyer mit 15 Punkten vor Marcin Maka (Lublin,
14 Punkte) sowie Zbigniewe Pyda (Lublin) und Gerhard Riewe (je 13 Punkte)
durch. Als beste weibliche Spielerin konnte sich Andrea Wenke (DSK)
über einen Sonderpokal ebenfalls freuen.
Im sportlich bedeutsameren Mannschaftskampf am Schlusstag des Freundschaftsbesuchs,
am 21. August 2006, sorgten die Mannschaftsfüher Zbigniew Pyda
und Gerhard Riewe mit einem raschen Remis an Brett Zwei zunächst
dafür, dass für beide Mannschaften alle Optionen offen blieben.
An den Brettern Drei bis Sechs konnten die Delmenhorster Tim Boese,
Sven Wollscheid, Andrea Wenke und Benjamin Hayen gegen ihre durchweg
favorisierten Lubliner Gegner - teils mit gütiger Unterstützung
der aufmerksamen Gastgeber - ebenfalls zu Unentschieden kommen. An den
Brettern Drei, Acht und Neun waren die polnischen Gastgeber allerdings
so stark besetzt, dass sie trotz heftiger Gegenwehr klare Siege einfahren
konnten. Da Malte Meyer gegen Michael Praszak zum Finale des Wettkampfs
am Spitzenbrett einen Sieg für den DSK erspielen konnte, lautete
das Gesamtergerbnis standesgemäß 5,5 : 3,5 für Lublin,
das damit den Sieg vom Jahr 2004 in Delmenhorst wiederholen konnte.
Vor vier Jahren hatte der DSK in Lublin noch einen Erfolg verbuchen
können.
Mit einer deutlich auf das Leistungsvermögen der Delmenhorster
Gäste abgestimmten Mannschafts-aufstellung hatte Lublin dafür
gesorgt, dass während des offiziellen Städteturniers lange
Zeit alle Möglichkeiten offen blieben. Auch die DSK-ler zeigten
im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchweg ansprechende Leistungen,
so dass auch unter rein sportlichen Gesichtspunkten der Lublin-Besuch
zu einem vollen Erfolg wurde. Zum Finale des vierstündigen Wettkampfs
nahm DSK-Mannschaftsführer Gerhard Riewe noch einen Erinnerungspokal
entgegen und sprach die Einladung zum Rückkampf in Delmenhorst
für den Sommer 2008 aus. Unter dem Beifall aller Beteiligten versprach
Zdzislaw Polkowski umgehend "mit einer möglichst starken Mannschaft"
das Wiedersehen in Delmenhorst.
Nach einigen informativen Touren durch Lublins sehenswerte historische
Altstadt wurden die Delmenhorster Gäste vor dem Städtewettkampf
auch offiziell von Lublins Stadtspitze empfangen. Dabei zeigte sich
der Vizepräsident der ostpolnischen Metropole, Ryszard Pasikowski,
am Vormittag des 21. August 2006 beim Empfang der Delmenhorster Delegation
im Neuen Rathaus seiner Stadt glänzend informiert über die
aktuellen Vorgänge um den Versuch deutscher Rechtsradikaler, sich
in Delmenhorst ein Hotel als Schulungszentrum zu kaufen. Natürlich
halte sich Lublin an das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten
von Partnern, so der kommunale Spitzenpolitiker. Doch der Bürgerinitiative
"Für Delmenhorst" (die auch vom Stadtsportbund Delmenhorst
sowie zahlreichen einzelnen DSKlern untrstützt wird) und allen
aktiven Kräften beim der Abwehr eines rechtsradikalen Zentrums
in Delmenhorst wünschte er "viel Erfolg".
Als Stadt, die noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts über 40
000 jüdische Einwohner zählte und während des Zweiten
Weltkriegs von Deutschen besetzt war, wisse man in Lublin unmittelbar
von den Schrecken des Faschsismus, so Ryszard Pasikowski.. Innerhalb
des Stadtgebiets hätten die Besatzer schließlich das Konzentrationslager
Majdanek erichtet, in dem zwischen 1941 und 1944 etwa 235 000 Häftlinge
umkamen, und zwar überwiegend Juden, Polen und Bürger der
Sowjetunion. "Wir helfen gern mit detaillierten Informationen,
Zahlenmaterial und Dokumenten, wenn wir damit Delmenhorst unterstützen
können", bot Ryszard Pasikowski an. Den DSK-Spielern erzählte
der Kommunalpolitiker auch von seinen eigenen, inzwischen zehn Jahre
zurückliegenden positiven Eindrücken von Delmenhorst.
Er selbst, so Ryszard Pasikowski, wolle im deutsch-polnischen Austausch
vor allem Schwerpunkte in der Begegnung von Jugendlichen setzen. "Im
Herbst dieses Jahres finden in Delmenhorst und bei uns Kommunalwahlen
statt", erläuterte Lublins Vizepräsident. Danach könne
es zu einer Neuauslotung der
Beziehungen zwischen Delmenhorst und Lublin kommen. Entsprechende Kontakte
seien bereits geknüpft.
Konkretisiert wurden solche Vorstellungen von Violetta Wscisel im unmittelbaren
Gesprächen mit den Delmenhorstern Schachspielern, die im Lubliner
Referat für Auslandsbeziehungen für die Kontakte nach Deutschland
verantwortlich zeichnet. Mit dem Seniorenaustausch unter Leitung von
Harald Söhlke und den regelmäßigen Treffen der Schachspieler
gebe es zwei stabile Säulen im Partnerschaftsprogramm, erläuterte
sie bei einem Rundgang durch das neue Rathaus. "Partnerbeziehungen
spielen sich auchsonst in
Wellenbewegungen ab", verwies Violetta Wscisel dabei auf ihre profesionellen
Erfahrungen, zum Beispiel mit dem westfälischen Münster. Womöglich
noch in diesem Jahr, so ihre Hoffnung, werde eine Lubliner Delegation
nach Delmenhorst kommen, um neue Impulse für eine Intensivierung
der Beziehungen
setzen zu können.
Zu einem beklemmenden und zugleich eindringlichen Rückblick in
die jüngere deutsch-polnische Geschichte war für die neun
Spieler des Delmenhorster Schachklubs bereits tags zuvor, am 20. August
2006, der Besuch des einstigen ostpolnischen Konzentrationslagers Majdanek
geworden. Schon im Vorfeld ihres Freundschaftsbesuchs in der Partnerstadt
Lublin hatte die Delegation großes Interesse gezeigt, mit den
im deutschen Namen begangenen Verbrechen der frühen 40er Jahre
des vorigen Jahrhunderts konfrontiert zu werden. Geleitet von der Germanistin
Alicja Bartosiak von der staatlichen Universität Lublin wurden
die DSK-ler bei ihrem Rundgang mit den systematischen Vernichtungsplanungen
der deutschen Faschisten ebenso bekannt gemacht wie mit den weitgehend
erhaltenen Gaskammern zum Zyklon-B-Einsatz, Massenerschießungen
größten Stils und einem großräumigen Krematorium,
mit den die Gräuel von 1941 - 1944 vor der Geschichte verdeckt
werden sollten.
Anhand der Ausstellungstücke in den zahlreichen Baracken auf dem
einst über 200 Hektar großen Gelände des ehemaligen
"Konzentrationslager der Waffen-SS Lublin" - den Namen Majdanek
erhielt das Vernichtungslager von der einheimischen Bevölkerung
nach dem angrenzenden Lubliner Stadtteil - konnten die Delmenhorster
Gäste anschaulich nachvollziehen, mit welcher Brutalität,
aber auch bürokratischer Genauigkeit und Selbstverständlichkeit
die KZ-Mannschaften ihr Vernichtungswerk an über 300 000 Menschen
allein in Majdanek verrichteten. Der Generalbebauungsplan für das
zunächst für Kriegs-gefangene konzipierte Lager vom 23. März
1942 machte deutlich, dass es dort um die langfristige Umsetzung der
nationalsozialistischen Herrenmenschen-Ideologie gehen sollte, in der
andere Volksgruppen nichts zählten. "Obgleich das Lager gar
nicht zu seiner vollen Kapazität ausgebaut wurde, starben dort
durch die unmenschlichen Bedingungen und unmittelbare Vernichtung von
den 300 000 Insasssen ungefähr 235 000 Häftlinge", erzählte
Alicja Bartosiak den schockierten Delmenhorstern.
Nach einem Gang durch eine vollständig erhaltene Vergasungsbaracke
und der Konfrontation mit Dokumenten, mit denen die Zyklon-B-Lieferungen
eines Hamburger IG-Farben-Ablegers als ganz normale Geschäftsbeziehung
differenziert dokumentiert ist, kam die Delegation am Ende ihres mehrstündigen
Rundgangs auch zum Krematorium, in dessen Verbrennungsöfen die
Spuren von Vergasungen und Erschießungen ebenso vertuscht werden
sollten wie das massenhafte elendige Sterben nach Wochen der Hungerration,
der Kälte und unsinniger Schwerstarbeit. "Spätestens
nach drei Monaten Majdanek war man am Ende", lautete die bittere
Lehre eines 23-minütigen Informationsfilms.
Neben dem bewussten Einsatz von Gaskammern zur "Endlösung"
des nationalsozialistschen "Judenproblems" steht Majdanek
auch für eine der grausamsten Massenerschießungen der Geschichte,
wie die Delmenhorster erfuhren. Offenbar aufgeschreckt durch die zahlreichen
Aufstände in Todeslagern des Ostens erschoss die Lagerbesatzung
unter dem Decknamen "Erntefest" allein am 3. November 1943
über 18 000 Juden. HR
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