Wie schon vor zwei Jahren machten wir uns am Abend des zweiten Weihnachtstages
auf nach Lübeck, von wo aus jeden Tag zum Open nach Travemünde
gependelt werden sollte. An der Besetzung hatte sich gegenüber
damals nicht allzu viel geändert, Malte
und ich - David - waren
wieder dabei, für den in New York weilenden Markus
kam mit Arnd unsere neue
Nummer 1 ins Boot. Maltes WG wurde wieder kurzerhand zur Schach-WG umfunktioniert,
natürlich mit großem Schachbrett auf dem Küchentisch.
In Ermangelung einer Uhr gab es am ersten Abend nur einige „zeitlose“
Partien und – natürlich – auch ein wenig Kartenspiel.
Der erste Tag brachte dann das Wiedersehen mit einigen alten
Bekannten, so waren aus dem LSB auch die Bremen-Norder Robert
Kosak und
Thorsten Döscher
angereist, Werder war mit Lothar Wemßen
und Gerald Jung vertreten.
Für uns verlief der erste Tag weitestgehend problemlos, natürlich
musste man konzentriert spielen, letztlich fuhren wir aber mit 6/6 wieder
nach Hause.
Erst am zweiten Tag konnten wir unsere weiße Weste nicht
mehr verteidigen und als ersten erwischte es ausgerechnet Arnd:
Trotz Weißvorteils hatte er gegen Ende der Partie mit drei (!)
Minusbauern zu kämpfen und gab in einer trotzdem noch unklaren
Stellung gegen Jochen Cremer Dauerschach. Während Malte
seine Aufgabe mit gewohnter Souveränität erledigte, standen
meine 3/3 auf sehr wackligen Füßen: Gegen den jungen Lokalmatador
Anton Bulygin stand ich bereits auf Matt – eigentlich kaum zu
übersehen, eingeleitet mit einem Doppelschach. Doch manchmal gibt
es auch im Schach Glück und auch so einen Punkt sollte man nicht
verschmähen. In der vierten Runde gab dann aber auch ich etwas
ab, FM Hendrik Rudolf von den SF Berlin war an Brett 3 noch eine Nummer
zu groß. Unterdessen schob Arnd
sich wieder heran – wie sich herausstellen sollte, kam sein Remis
zu einem turniertaktisch günstigen Zeitpunkt. Malte
verteidigte als Einziger von uns seine 100%, hatte es bisher aber auch
ausschließlich mit schwächer gesetzten Gegnern zu tun gehabt
(ebenso wie natürlich Arnd).
Zu erwähnen ist bezüglich der ersten beiden Tage auch das
große Favoritensterben: In Runde 5 spielten die GM Romuald Mainka,
Sergej Kalinitschew und Aleksandr Karpatchev einträchtig nebeneinander
– an den Brettern 10-12! Alle hatten in den ersten vier Runden
einen Punkt liegengelassen, Karpatchev gegen die 19-Jährige Karin
Chin (Königsspringer Hamburg), die ihn mit dem Mittelgambit überrascht
hatte. Angesichts dieses von ihr eroberten Skalps musste ich mit meinem
Remis gegen sie am dritten Tag in Runde 5 nicht ganz unzufrieden
sein, auch wenn die Vorteile eher auf meiner Seite lagen. Arnd
hatte sich mittlerweile wieder an Brett 5 vorgekämpft, wo er gegen
Michael Bohnstorff (Winsen/Luhe, 2166) gewann – diesmal achtete
er mit Weiß etwas besser auf seine Bauern. Malte
hatte unterdessen mit FM Robert Vogel (Rosenheim, 2285) den genau vor
ihm gesetzten Spieler erwischt, zudem mit Weiß, also ein Los,
bei dem noch vieles möglich war. In einer scharfen Stellung wurde
dann aber Remis vereinbart, auch wenn Arnd
in der Analyse noch alles versuchte, um weißen Vorteil nachzuweisen,
es half nichts.
Die sechste Runde brachte dann erstmals
das schöne Bild der nebeneinander aufspielenden Arnd
und Malte. An den Brettern 3 und 4 bekamen sie es
mit Thomas Schmid und FM Gunnar Jacob zu tun. Während sich
etwas weiter hinten Karpatchev gegen Roman Korba in einer Zeitnotschlacht
durchsetzte, gelang Arnd
kurz vor der Zeitkontrolle der nächste Sieg, mit dem er sich
für die Schlussrunde wieder ganz nach oben katapultierte (die
bis dahin mit 100% führenden Großmeister Robert Rabiega
und Michail Ivanov teilten sich schnell die Punkte). Doch nicht
nur diese drei hatten 5,5/6: Neben IM Sebastian Siebrecht, der gegen
IM Salov gewann, schaffte auch Malte
den Sprung ins |
Große Beachtung fand Maltes Sieg in Runde
6
gegen FM Gunnar Jacob (2322) |
Führungsquintett: In seiner geliebten Anti-Tschigorin-Variante (die
in einigen Blitzpartien gegen mich zuvor mehr zufällig nochmal erprobt
worden war) erspielte er sich gegen Jacob einen Mehrbauern im Turmendspiel
– und was Malte damit
gewöhnlich so anstellt, ist bekannt: Kurz vor Ende der 5-stündigen
Bedenkzeit musste sein Gegner ihm zum Sieg gratulieren!
Damit war die Ausgangssituation für den letzten Tag prächtig:
Arnd und Malte würden
erneut nebeneinander spielen, diesmal aber sogar an den ersten beiden
Brettern unmittelbar um den Turniersieg. Komplettiert wurde das Ganze
dadurch, dass auch ich es dank eines Weißsieges noch mal auf die
Bühne schaffte. Intensiv wurde sich also für den vierten
Tag vorbereitet, Malte
wollte mit einem Franzosen gegen Rabiega versuchen, Ausgleich zu erzielen,
Arnd mit Weiß gegen
Siebrecht im Vierbauernangriff auf Gewinn spielen.
Runde 7, Tisch 1: Kampf um den Turniersieg!
Arnd besiegt IM Siebrecht, Malte verliert knapp
gegen GM Rabiega |
Mit einem Sieg würde man ja auch mindestens Dritter
sein, der Wermutstropfen war nur, dass Platz 1 schwer erreichbar
schien: Der nach Buchholz bereits deutlich führende GM Ivanov
bekam es in der letzten Runde mit seinem einen halben Punkt schlechter
platzierten Freund Karpatchev zu tun und wurde letztlich auch Turniersieger
nach Wertung. Dahinter schaffte es GM Rabiega auf Platz 2. Es sah
zwar lange so aus, als ob Malte
die Stellung halten könnte, doch irgendwann war ein Läufereinschlag
auf g6 nicht mehr zu verhindern. Dritter nach Wertung wurde dann
aber Arnd: Er lehnte
das frühe Remisgebot von Siebrecht ab und bereitete ihm dann
mit seinen rigoros vorrückenden Bauern Kopfzerbrechen.
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Hinter dem allein auf Platz 4 stehenden FM Julian Zimmermann (6 Punkte)
kam Malte in der großen
Gruppe der 5,5er ein (Platz 5-13), am Ende hieß es für ihn
Platz 10, eine erneut sehr starke Leistung, zumal man mit Schwarz gegen
Rabiega sicherlich verlieren darf! Für mich sprang in der letzten
Runde gegen FM Jacob noch ein Remis heraus, obwohl beide Seiten angesichts
der Tabellensituation natürlich zu gewinnen versuchten.
Insgesamt wieder ein sehr schönes Turnier mit interessanten
Partien und angenehmem Drumherum. Arnd
hat mal wieder gezeigt, dass ihm die Pause in den USA nichts anhaben
konnte!
... und hier zum Bericht
"Travemünde 2005"
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