Delmenhorster SK - Travemünde
TRAVEMÜNDE 2013
Bericht von David Höffer




Nach einigen Jahren der Abwesenheit vom schleswig-holsteinischen Weihnachtsturnier-Klassiker machte sich eine DSK-Vierergruppe in diesem Jahr wieder auf den Weg nach Lübeck. Diese bestand aus unserem Präsidenten Tobias, dem in Lübeck ansässigen Malte, Ex-DSK’ler Markus und dem Berichterstatter, David. Es gab gute Gründe, genau in diesem Jahr noch einmal in Travemünde teilzunehmen, denn der Veranstalter stellt nach diesem Turnier die Veranstaltung ein. 30 Jahre Travemünder Weihnachtsopen fanden in diesem Jahr also ein Ende. Zudem plant Malte für nächstes Jahr seinen Umzug in den Süden, so dass er nicht mehr vor Ort sein wird. In diesem Jahr war er es aber noch, so dass seine Wohnung für Übernachtung, Frühstück, Abendessen und gemeinsame Analyse zur Verfügung stand, ähnlich wie schon 2005 und 2007. Im Gegensatz zu den damaligen Fahrten hatten wir diesmal ein Navi fürs Pendeln nach Travemünde, außerdem lag kein Schnee und die letzte Runde verpassten wir auch nicht. Die Technik, das Wetter und wir haben sich wohl alle weiterentwickelt.

Außer diesen Vieren waren auch noch vier weitere DSK’ler vor Ort: Dmitrij, Thorsten und Michael N. im A-Open, Michael K.
im B-Turnier.
Unsere Vierergruppe startete am ersten Tag mit weißer Weste: In den ersten zwei Runden gab es 8/8 zu feiern, wobei bis auf die Zweitrundenpartie von Tobias auch alle Siege nach Elo “eingeplant” waren.

Besagte Partie hatte es aber durchaus in sich, denn Toby (der in der ersten Runde noch mit viel Glück gegen einen Jugendlichen gewonnen hatte) holte sich mit Schwarz seinen ersten 2300er-Skalp:
Gegen Bernd Laubsch stand er die gesamte Partie über recht angenehm und sicherte sich in der ersten Zeitnotphase entscheidenden Vorteil. Bange Schlussminuten hatte er aber trotz einer Mehrfigur zu überstehen, denn als das Brett
(und das nebenan, an dem Malte noch spielte) bereits von zahlreichen Kiebitzen umlagert war, fiel plötzlich die elektronische Uhr aus. Der Schiedsrichter stellte die Zeit auf einer neuen Uhr wieder ein, verwechselte dabei aber Minuten und Stunden, so dass Laubsch nun über eine halbe Stunde statt einer halben Minute zu verfügen schien.
Nach einem weiteren Uhr umstellen musste Toby einen Teil seines Zeitvorteils zurückgeben, um die Konzentration zurückzuerlangen, die nötig war, um die letzten Klippen zu umschiffen (siehe Partie).
Malte hatte wie gesagt am Nachbarbrett ebenfalls bis zum Schluss spielen müssen, nachdem er sich aus einer Verluststellung befreit hatte, war ein remises Turmendspiel entstanden, in dem er letztlich alles auf eine Karte setzte und mit einem Bauern weniger zum Erfolg zu kommen versuchte. Mit knapper Zeit fand sein Gegner nicht die beste Verteidigung und Malte konnte tatsächlich noch den vollen Punkt verbuchen. Eher unproblematisch verlief das Punktesammeln für Markus und mich, beispielhaft meine Zweitrundenpartie, die ich mit einer hübschen Kombination abschließen konnte (siehe Partie).

In Runde 3 erwischte es dann mit Toby erstmals einen von uns, nach einer vergessenen Variante in der Eröffnung zerlegte ihn sein Gegner nach allen Regeln der Kunst.
Da Markus, Malte und ich aber gewinnen konnten, kam es in Runde 4 zu einem Gruppenbesuch auf der Bühne, auf der in Travemünde die ersten 8 Bretter spielen. Malte durfte an Brett 2 gegen Nationalspieler GM Daniel Fridman ran, wie er fand, eine gute Gelegenheit, um erstmals in einer Turnierpartie Grünfeldindisch zu spielen. Trotz der ungewohnten Stellungsmuster gelang es ihm, die vermeintlich schon auf die schiefe Bahn geratene Partie in der Remisbreite zu halten (in der post-mortem-Analyse fand jedenfalls auch Fridman nie mehr als ein bisschen weißen Vorteil). Im Doppelturmendspiel agierte er dann mit verrinnender Bedenkzeit einen Moment zu sorglos und fand sich plötzlich doch in verlorener Stellung wieder.
Unterdessen hatte ich gegen GM Daniel Hausrath nach einem kleinen taktischen Fehler seinerseits eine sehr angenehme Position erreicht. Ein Mehrbauer im Schwerfigurenendspiel verhieß ein beinah sicheres Remis und Chancen auf den Sieg. Das Problem im letzten Satz stellt allerdings das Wörtchen “beinah” dar, denn zuerst gab ich den taktischen Überseher zurück und stellte meinen Mehrbauern ein, dann vergaß ich das geplante Zwischennehmen mit der Dame und zog stattdessen den König – Dameneinsteller und sofortige Aufgabe waren die Folge. Markus hatte es als einziger von uns dreien nicht mit einem GM zu tun, wählte aber gegen den starken Jugendlichen Benedict Krause eine Eröffnung, die diesem entgegenkam und hatte in der gesamten Partie kaum eine Chance. Für einen weiteren Lichtblick sorgte allerdings Toby, der erneut einen deutlich (nämlich ca. 200 Punkte) stärker eingeschätzten Spieler, Hendrik Möller vom HSK, schlug. Damit konnte er wieder zum Rest unserer Gruppe aufschließen.
Am dritten Tag trennten sich unsere Wege in der Tabelle dann aber endgültig: Malte fuhr erst einen sicheren Weißsieg ein und musste dann gegen Markus’ Bezwinger Krause ran. Dieser erhielt aus der Eröffnung erneut eine gute Stellung, öffnete dieselbe dann aber zu schnell und ließ Malte so in Vorteil kommen (siehe kommentierte Partie von Malte). Markus hingegen erwischte mit dem Bremer Olaf Steffens (und dessen Tiger!) einen gefährlichen Gegner, dem es zudem gelang, eine dynamische Stellung zu erreichen, in der er seine Stärken voll ausspielen konnte. Die Diagonalen a8-h1 und a7-g1 wurden einfach zu schwach aus Markus’ Sicht und da sein König sich am Ende dieser Diagonalen befand, war es bereits nach 30 Zügen aus. In der sechsten Runde konnte er erneut gewinnen, lag damit aber bereits einen Punkt plus Feinwertung hinter Malte, so dass sich einmal mehr die alte Regel “Malte landet in Langschachturnieren immer vor Markus” bewahrheiten sollte. Ich vergab einen leichten Vorteil und musste mich mit einem Remis begnügen, so dass Malte von nun an der einzige aus unserer Truppe sein sollte, der auf der Bühne zu finden war.
In Runde 6 ergab die Auslosung leider das mannschaftsinterne Duell gegen Dmitrij, auf das wir zu diesem Zeitpunkt beide nicht genug Lust hatten, um über die Eröffnung hinaus zu spielen. Dmitrij konnte in der letzten Runde dann sogar noch einen Spieler mit ca. 2250 schlagen und sich starke 5/7 erspielen, womit bei unserer Abreise noch ein Jugend- oder Ratingpreis für ihn möglich schien (leider sind diese auf der Turnierseite nicht zu finden). Toby hatte unterdessen einen ornithologischen Tag erwischt, denn erst unterlag er FM Robert Vogel, dann remisierte er gegen Dr. Martin Vogel.

Der letzte Tag war also vor allem für Malte noch chancenreich, seine entscheidende Partie gegen den jungen dänischen IM Jakob Glud hat er erneut selbst kommentiert (siehe Partie).

Während ich mich mit einem Sieg aus Travemünde verabschiedete (5/7), musste Markus sich in schlechterer Stellung mit einem Remis zufrieden geben (4,5).
Eine interessante Partie hatte noch einmal Toby: Mit 3,5/6 hatte er überraschend in Harald Schmidt den stärksten FM im Turnier erhalten (an 11 gesetzt!) und stand kurz vor der Zeitkontrolle völlig auf Gewinn, als er den gegnerischen Turm fangen konnte. Leider ließ der von ihm gewählte Weg noch einige Chancen zu, die der Lübecker zum Comeback nutzte und am Ende sogar noch das Turmendspiel gewinnen konnte (siehe Partie). Ein ärgerliches Ende für Toby, der in puncto Elo-Zuwachs trotzdem die beste DSK-Leistung nach Dmitrij brachte.
 
Das Turnier gewann GM Andrey Sumets mit starken 6,5/7, nachdem er gegen den am Ende Zweiten, Fridman, ein schnelles Remis holen konnte und alle anderen Partien gewann. Olaf Steffens erreichte einen starken siebten Platz – vor der letzten Runde hatte er sogar noch mit 5,5/6 auf Platz 2 gelegen. Leider konnten wir aus logistischen Gründen nicht zum großen Abschlussblitz bleiben, das traditionell jedes Travemünder Open und speziell natürlich dieses letzte beschließt.

So endet denn ein traditionsreiches Open, das in Pünktlichkeit, Räumlichkeiten und der Spitze des Feldes meist zu überzeugen wusste und mit dem selbst vor jeder Partie zu holenden Partieformular und dem gelegentlich etwas ausufernden Alkoholausschank im Gastro-/Analysebereich auch einige Besonderheiten aufwies. Die Größe des Feldes (ca. 200 Spieler für 7 Runden) sorgt ähnlich wie beim Nordwest-Cup dafür, dass die (erweiterte) Spitze nach meinem Geschmack zu wenige direkte Duelle austrägt.
Ein Loch “zwischen den Jahren” wird es aber auch in den nächsten Jahren nicht geben. Mit den Turnieren in Erfurt und Böblingen gibt es auch in Deutschland weitere Klassiker und auch im nahen Ausland bestehen verschiedene Konkurrenzturniere, an denen man in den dunklen Nach-weihnachtstagen Schach spielen kann.